Nur solange es nützt? Was berufliche Freundschaft wirklich bedeutet
- Zeev Rosenberg
- 27. Juli
- 3 Min. Lesezeit

Freundschaft gilt als Wert, besonders im Berufsumfeld wird sie schnell ausgesprochen – aber oft zu früh, zu leicht, zu oberflächlich. Was bleibt, wenn die Sichtbarkeit weg ist? Ein Versuch, genauer hinzusehen.
Solange wir eine Funktion haben, eine Position mit Strahlkraft, solange wir etwas öffnen, vermitteln oder ermöglichen kann – sind wir umgeben von Menschen. Einladungen kommen von selbst, Nachrichten landen regelmäßig im Postfach, der berufliche Kreis wirkt stabil, fast freundschaftlich.
Doch sobald sich diese Funktion verändert, wenn sie vielleicht ganz wegfällt – ob durch eine Kündigung, eine Pause, einen Branchenwechsel oder schlicht durch einen Bedeutungsverlust – beginnt oft etwas, das viele erst dann wirklich verstehen: die plötzliche Stille. Die unerwartete Abwesenheit. Das langsame, oft kommentarlos bleibende Verschwinden all jener, die zuvor betont nah schienen.
Kürzlich schilderte Ulf Poschardt in einem Podcast (Hotel Matze) einen solchen Moment: Nach dem Verlust seiner Position verstummten viele, von denen er gedacht hatte, sie gehörten zu seinem festen beruflichen Umfeld. Es war kein offener Bruch – vielmehr ein lautloses Auseinanderdriften und es wirft eine größere Frage auf: Wie belastbar sind berufliche Beziehungen, wenn sie auf Gegenseitigkeit beruhen – aber nicht auf Verlässlichkeit?
Vielleicht lohnt es sich, an dieser Stelle den Begriff „Freundschaft“ selbst zu hinterfragen. Denn was heißt das eigentlich – im beruflichen Kontext?
Für manche ist Freundschaft ein Etikett, das man schnell vergibt: nach einem gelungenen Projekt, nach ein paar Abendessen, nach netten Gesprächen im beruflichen Rahmen. Man nennt sich dann „Freunde“, ohne wirklich etwas voneinander zu wissen. Ohne je etwas voneinander getragen zu haben.
Für andere beginnt Freundschaft dort, wo der Erfolg nicht mehr selbstverständlich ist. Ein Freund ist jemand, von dem man mehr weiß als die letzte Position im Lebenslauf. Jemand, der auch dann noch anruft, wenn nichts mehr zu holen ist. Jemand, der bleibt, wenn der Status geht.
Oberflächliche Bekanntschaften, in denen nichts Persönliches geteilt wird, sind höfliche Verbindungen. Vielleicht nützlich, vielleicht angenehm – aber sie tragen nicht in schwierigen Zeiten. Und sie sind schnell wieder verschwunden, wenn die Bühne fehlt. Manchmal ist es mehr Show als Loyalität. Mehr Inszenierung als Beziehung und mehr „wir sollten mal“ als „ich bin da“.
Und dann kommt diese eine Frage: Wenn wir uns Freunde nennen – was meinen wir damit wirklich? Ist es nur ein Etikett, das Nähe simuliert? Oder steckt dahinter etwas, das trägt, wenn es ernst wird?
Die Unterschiede in der Bedeutung des Begriffs führen nicht selten zu Enttäuschungen. Weil man sich verbunden fühlte, wo nie wirklich Verbindung war. Weil wir auf Menschen hoffte, die nur im Licht stehen wollten – nicht im Schatten.
Und irgendwann stellt sich die nächste, unbequemere Frage: Warum verhalten sich so viele Menschen so egoistisch, obwohl sie ständig von Werten, Haltung und Moral sprechen?
Wir lesen große Worte in Reden, in sozialen Netzwerken, in Leitbildern und Statements. Empathie, Solidarität, Zusammenhalt – sie gehören zum Vokabular der Gegenwart. Aber im konkreten Verhalten – besonders dann, wenn es keinen unmittelbaren Vorteil bringt – ist davon oft wenig übrig.
Die Wahrheit ist: Moral ist leicht, solange sie nichts kostet, Empathie ist bequem, solange sie nicht fordert und Loyalität klingt gut – solange sie nicht mit dem eigenen Status kollidiert.
Vielleicht ist das keine Frage von Bosheit, vielleicht geht es um Unsicherheit sowie um Bequemlichkeit, oder um die Angst, mit jemandem in Verbindung gebracht zu werden, der gerade nicht „funktioniert“. Vielleicht ist das System so gebaut, dass es nach oben belohnt – und alles andere ausblendet.
Aber genau dort, wo der Glanz fehlt, keine Bühne wartet, kein Projekt ruft – genau dort zeigt sich, was bleibt und wer.
Zum Nachdenken:
Vielleicht ist es an der Zeit, berufliche Nähe bewusster zu unterscheiden. Wie oft verwechseln wir Kontakt mit Beziehung? Nähe mit Verlässlichkeit und wie viele Menschen bleiben wirklich, wenn man gerade nichts geben kann?
Es lohnt sich, sich das gelegentlich selbst zu fragen – bevor die Antwort von außen kommt.Denn generell gilt:
Umgib dich mit Menschen, die dich akzeptieren – nicht weil sie dich beruflich brauchen, sondern weil sie dich als Mensch schätzen. Auch in schweren Zeiten. 𝙁𝙤𝙡𝙜𝙩 𝙜𝙚𝙧𝙣 𝙢𝙚𝙞𝙣𝙚𝙢 𝙒𝙝𝙖𝙩𝙨𝘼𝙥𝙥-𝙆𝙖𝙣𝙖𝙡:
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