Nach dem Gutachten: Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextrem ein. Und jetzt?
- Zeev Rosenberg
- 4. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Ein Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz kommt zu einem klaren Ergebnis: Die AfD wird als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Diese Bewertung basiert auf umfangreichen Recherchen, systematischer Auswertung öffentlicher Aussagen und interner Strategiepapiere der Partei, die deutlich machen, dass es sich bei der AfD nicht mehr nur um eine populistische Kraft am rechten Rand handelt, sondern um eine Partei mit verfassungsfeindlichen Tendenzen. Es ist ein überfälliger, notwendiger Schritt – aber er allein wird nicht reichen. Denn so eindeutig diese Bewertung auch ist, sie beantwortet nicht die drängendere Frage: Wie gehen wir als Gesellschaft, als politische Mitte, als Demokratie mit einer Partei um, die offen gegen die Demokratie arbeitet – und dabei mehr als sechs Millionen Menschen überzeugt?
Ein Verbot klingt logisch, ist aber strategisch riskant
Es liegt nahe, ein Verbot zu fordern – hart, konsequent, scheinbar reinigend. Doch Parteien verschwinden nicht durch Paragrafen, und Ideen lassen sich nicht mit Gerichtsbeschlüssen verbieten. Ein solcher Schritt würde die AfD nicht zerstören, sondern mythologisieren. Sie würde das Märtyrer-Narrativ perfektionieren, sich in ihrer Dauerrolle als angeblich verfolgte Wahrheitssprecherin suhlen, ihre digitale Reichweite massiv ausbauen und sich weiter radikalisieren – diesmal im Untergrund. Was als Sieg der Demokratie gedacht ist, könnte ihre Schwächung sein.
Politikversagen hat den Boden bereitet
Was der Partei den Weg bereitet hat, war nicht allein rechter Populismus, sondern das kollektive Versagen der demokratischen Parteien. In den vergangenen Jahren wurde konsequent versäumt, mit denen zu reden, die sich abwenden. Wer Ängste vor ungeordneter Migration äußerte, wer Sicherheitsprobleme ansprach, wer von Kontrollverlust, Wohnungsnot, Integrationsdefiziten oder Parallelgesellschaften sprach, wurde sofort etikettiert: rechts, populistisch, fremdenfeindlich. Der politische Diskurs wurde moralisiert, nicht analysiert, und die Sorgen vieler Bürger blieben unerhört – ein Geschenk für die AfD.
Diese Arroganz – von der CDU bis zu den Linken – war und ist der Mega-Fehler der Mitte-Links-Eliten. Millionen fühlten sich nicht mehr vertreten. Die AfD hat diese Leerstelle erkannt und gnadenlos ausgenutzt.
Und ja, sie hetzen – täglich, gezielt, mit System
Die AfD ist kein Sammelbecken enttäuschter Konservativer, sie ist ein politisches Projekt mit rechtsextremer DNA. Ihre Spitzenpolitiker haben immer wieder gezeigt, wie sie wirklich denken. Hier ein kleiner Einblick:
Alexander Gauland: „Wir werden sie jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“Und über die NS-Zeit: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“
Björn Höcke: „Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. Aber wir wissen doch, dass es im Geschichtsbild nicht so einfach ist.“
Alice Weidel: „Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und den Sozialstaat nicht sichern.“
Beatrix von Storch: „Wenn der Mob kommt, darf geschossen werden – auch auf Frauen und Kinder.“
Andreas Kalbitz: Pflegte enge Kontakte zu Neonazis, besuchte rechtsextreme Camps, nannte die Bundesrepublik ein „Regime“.
Diese Zitate sind keine Ausrutscher, sie sind das Fundament einer Rhetorik, die nicht reformierbar ist. Die AfD will nicht kritisieren, sie will delegitimieren. Sie will keine bessere Republik, sondern eine andere.
Die große Illusion der Opferrolle
Was die AfD jedoch fast meisterhaft beherrscht, ist die Inszenierung als Opfer. Kritik an der Partei wird systematisch als politische Verfolgung dargestellt, jede juristische Maßnahme als Beweis für eine angebliche Diktatur der Eliten. In dieser Erzählung ist nicht Höcke das Problem, sondern die Medien. Nicht Gauland, sondern der Verfassungsschutz. Nicht die AfD, sondern „die Altparteien“. Dieses Muster ist nicht originell, aber wirksam – und global erprobt. Ob Trump in den USA, Netanyahu in Israel, Orban in Ungarn oder Meloni in Italien: Überall bedienen sich rechtspopulistische Führer dieser Strategie. Die eigene Verantwortung wird geleugnet, die Schuld konsequent externalisiert – auf den Staat, die Presse, das System.
Die AfD ist keine Ausnahme – sie ist Teil einer internationalen Bewegung, die Demokratie als Kulisse benutzt, um autoritäre Sehnsüchte zu nähren.
Mit den Wählern reden – nicht über sie
Was jetzt gebraucht wird, ist keine politische Säuberung, sondern politische Reifung. Wir müssen lernen, zwischen Partei und Wählerschaft zu unterscheiden. Die Führung der AfD ist rechtsradikal – aber nicht jeder, der sie wählt, ist es auch. Viele fühlen sich abgehängt, unverstanden, verspottet. Wer diesen Menschen sagt, sie seien das Problem, wird sie verlieren. Wer sie ernst nimmt, könnte sie zurückholen. Das erfordert Mut, Geduld – und ein Ende der moralischen Überheblichkeit.
Und der blinde Fleck: linker und islamistischer Antisemitismus
Während die AfD mit rechtsextremer Rhetorik provoziert, ist der gefährlichste Antisemitismus in Deutschland heute oft nicht braun, sondern rot-grün und islamistisch. Wer in deutschen Städten Hebräisch spricht, israelische Musik hört oder eine gelbe Schleife trägt, wird fast ausschließlich von Linksextremen und islamistischen Gruppen bedroht, beleidigt oder angegriffen. Jüdische Restaurants und Einrichtungen? Immer häufiger Zielscheibe antisemitischer Gewalt – nicht selten aus der Ecke, die sich selbst als „antirassistisch“ bezeichnet.
Dieser Hass wird zu oft verschwiegen, relativiert oder übersehen – auch, weil er nicht ins linksliberale Selbstbild passt. Doch wer bei Antisemitismus selektiv blind wird, schwächt die Demokratie von innen.
Fazit:
Die AfD ist rechtsextrem – und gefährlich. Aber ein Parteiverbot allein wird nichts heilen. Die Antwort auf Populismus ist nicht Repression, sondern Repräsentation. Wer die Mitte stärken will, muss aufhören, Menschen für ihre Ängste zu verachten, und anfangen, ihnen zuzuhören – nicht nachzugeben, aber zuzuhören. Die Demokratie braucht nicht weniger Auseinandersetzung, sondern mehr – aber mit offenem Blick in alle Richtungen: gegen rechts, gegen links, gegen religiösen Fanatismus. Und vor allem: mit klarem Kompass für jüdisches Leben, für Meinungsfreiheit, für den Rechtsstaat.
Wer jetzt nur nach schnellen Verboten ruft, ohne die politische Kultur zu erneuern, bekämpft nicht den Gegner – er füttert ihn.
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