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  • AutorenbildZeev Rosenberg

Der Blog zum Sonntag - Jüdisches Leben in Deutschland: Ein Kampf um Identität und Sicherheit


 

Schon vor dem 7. Oktober war es nicht immer einfach, seine jüdische Identität offen zu leben, obwohl ich eher liberal eingestellt bin. Auf der einen Seite die radikalen muslimischen Fanatiker, auf der anderen Seite die deutschen Rechts- und Linksradikalen oder die AfD. Es war für mich sehr schlimm zu sehen, dass ein Björn Höcke in Thüringen 25%+X der Stimmen bekommen konnte oder auch, dass die AfD anderswo über 20% #X erreichen konnte. Dieses Superwahljahr 2024 mit Kommunalwahlen, Landtagswahlen und Europawahlen hat es in sich.

 

Dann kam der 7.10. und hat alles noch mehr verändert. Die radikalen Muslime wurden radikaler und gewalttätiger, die Rechten hetzten weiter und dann kamen die Linken, von der SPD, den Gewerkschaften bis natürlich zu „Die Linke“, nicht zu vergessen Sarah Wagenknecht und ihre Partei. Es wurde gehetzt, was das Zeug hielt. Der 7.10. war kein Thema mehr, sondern nur noch, was die israelische Armee macht. Kein Thema waren die barbarischen Morde an Babys, Kindern, Frauen, Senioren und Männern, die Enthauptungen, Körperverbrennungen, Abtrennungen von Gliedmaßen, Vergewaltigungen und natürlich die 240 entführten Babys, Kinder, Frauen, Greise und Männer.

 

Israel wurde schnell vom Opfer zum Täter erklärt, die unerklärliche Opfer-Täter-Umkehr war vollzogen. Die Hetze gegen Israel und damit der Judenhass war in vollem Gange und in der Folge wurden Jüdinnen und Juden in Deutschland, aber auch weltweit bedroht, schikaniert und gewalttätig angegriffen. Jüdische Bürger/innen hatten Angst, einen Davidstern zu tragen, jüdische Symbole zu zeigen, eine Israelfahne zu hissen oder Hebräisch zu sprechen. Dass Palästina-Sympathisanten mit Kefiya und der Palästina-Fahne herumlaufen und pöbeln, ist etwas ganz anderes ... sie dürfen das ...

 

Dass an den Universitäten jüdische Studenten nicht in die Hörsäle gelassen werden, Journalisten als Lügenpresse beschimpft werden, Universitäten den Kontakt zu israelischen Universitäten abbrechen sollen und teilweise der Lehrbetrieb eingestellt werden muss, weil pro-palästinensische Demonstranten die Hörsäle oder gar den Campus besetzt haben, interessiert die wenigsten.

 

Bei den Demonstrationen hört man immer häufiger Rufe wie „From the river tot he sea Palestine should be free“, was eindeutig (ohne Wenn und Aber) die Vernichtung des Staates Israel und den Tod der jüdischen Bevölkerung bedeutet, oder "Yallah Yallah Intifada", was für den bewaffneten Widerstand in Israel und im Westjordanland und damit für Tausende von Toten und Verletzten steht. In den letzten beiden Intifadas wurden ca. 7.000 Menschen (Israelis und Palästinenser) getötet/ermordet und ca. 15.000 verletzt.

 

Das Dreieckssymbol aus den Konzentrationslagern wurde von palästinensischen und linken Gruppen in Propagandavideos verwendet, um feindliche Ziele zu markieren. In diesem Zusammenhang habe ich mir die Reportage der ARD vom 15.5.2024 mit dem Titel: Links, radikal, antisemitisch - Woher kommt der Hass auf die Juden. Von Koexistenz, friedlichem Zusammenleben oder gar der Akzeptanz, dass es einen Staat Israel und das jüdische Volk gibt, war kein Wort zu hören.

 

Dazu kommt eine regelrechte Hetze gegen Israel in den sozialen Netzwerken, die offen gegen Jüdinnen und Juden hetzt und es ist erstaunlich, dass das von vielen immer noch toleriert wird. Schon wenn ich sage, dass ich Jude bin, bekomme ich Probleme und komische Kommentare. Wenn man dann fragt oder sagt, dass das Massaker, die Entführungen, Vergewaltigungen, Enthauptungen und Verbrennungen vom 7.10. die Ursache sind, kommt sofort die Antwort: „Aber ihr“ oder dass Israel einen Genozid begeht und die Juden einen Holocaust an der Bevölkerung in Gaza begehen oder dass die Zionisten Rassisten sind, die die Welt ruinieren und ins Chaos stürzen wollen.

 

Die Gräueltaten der Hamas zu verharmlosen und zu vergessen, was diese Barbaren angerichtet haben, und dann nur Israel die Schuld zu geben, ist nur widerlich und da machen es sich die Israelhasser sehr einfach. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten dieser Hamas-Sympathisanten zum einen die Fakten nicht kennen und zum anderen den Hass auf Israel und die Juden salonfähig machen.

 

Die Frage, die mich beschäftigt, ist: Warum gibt es diesen Hass auf uns Juden, der seit Jahrhunderten anhält und im Grunde unbegründet ist? Gerade in Westeuropa und den USA haben sich die Juden "assimiliert" und den „westlichen Standard“ übernommen. Sie arbeiten in allen Bereichen und führen ein normales Leben. Trotzdem werden antisemitische Ressentiments genutzt, um Israel und die jüdische Bevölkerung in Deutschland gegeneinander auszuspielen. Im Grunde müssen wir nichts tun, außer auf dumme Sprüche zu warten, die uns auffordern, Deutschland zu verlassen.  Warum werden jüdische oder israelische Produkte und jüdisch geführte Geschäfte boykottiert, beschimpft oder bekämpft? Niemand kann es erklären, selbst eingefleischte Antisemiten und Rechtsradikale wie Höcke, Linke oder extremistische Muslime haben keine Antwort. Sie nutzen den Hass auf Juden und Israel, um sich zu profilieren. Dass dieser Hass zu 99 Prozent unbegründet ist, interessiert sie wenig. Dass sie kaum Fakten haben und sich über TikTok, WhatsApp oder Telegram informieren, macht die Sache nur schlimmer.

 

Einige Medienvertreter fördern (bewusst oder unbewusst) diesen Hass auf Israel und übersehen dabei, dass dieser Hass auch Antisemitismus und Judenhass verstärkt. Sie erkennen nicht, dass ihre einseitige und teilweise unsachliche Berichterstattung genau das Gegenteil bewirkt. Statt sich für ein echtes Miteinander und ein friedliches Zusammenleben einzusetzen, erzeugen sie eine Berichterstattung, die das Opfer zum Täter und den Täter zum Opfer macht.

 

Ich selbst bin kein Freund von Netanjahu und hoffe sehr, dass er bald, spätestens nach Ende des Krieges, zurücktritt und nach den Wahlen eine „normale“ Regierung zustande kommt. Aber das ist kein Grund, diesen Judenhass zu schüren. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, und dennoch können wir auch über den Krieg, sachlich, diskutieren. Aber diese Wohlstandslinke versteht den Konflikt nicht und holt immer wieder diese Israel-Hass-Keule raus und kombiniert das geschickt mit Antisemitismus. Dazu holt man holt sich ein paar „Quotenjuden“ ins Boot und meint, jetzt sei alles „koscher“. Das ist eine bizarre Vorgehensweise, die einen sehr nachdenklich macht. Manchmal denke ich, nein ich bin mir eigentlich sicher, dass die Linken und die Rechten nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt haben. Diese meist linken Wohlstandsextremisten sind heute neben den radikalen Moslems wahrscheinlich das Gefährlichste für Juden in Deutschland.

 

Was mich auch sehr enttäuscht ist, dass bei Demos, die für Israel oder gegen Antisemitismus sind, maximal 15.000 Leute kommen, aber bei einer Demo für den Schutz von Schildkröten 150.000... da stimmt doch was nicht!

 

Die oben genannten Punkte machen es für mich als jüdischen Bürger sehr bedenklich, ob Deutschland für mich noch ein sicheres Land ist. Diese Hasskultur, die Unfähigkeit mit Fakten umzugehen und sachlich zu diskutieren, lässt mich darüber nachdenken, welche Zukunft ich hier noch haben kann, um hier zu leben. Die Politik tut zu wenig, um die radikalen Kräfte zu stoppen, ein Großteil der Bevölkerung interessiert sich nicht wirklich dafür und am Ende stehen wir allein da.

 

Die Ironie besteht darin, dass die Rechte fordert, die Juden sollten nach Israel gehen, während die radikale Linke und die radikalen Muslime keine Juden in Israel wollen. Israel ist und bleibt die Heimat der Juden. Aber es ist praktisch unmöglich, dass alle Juden der Welt nach Israel ziehen. Deshalb werden sich Juden auch weiterhin in anderen Ländern niederlassen. Politik und Gesellschaft sind daher gefordert, Antisemitismus zu bekämpfen und ein freies Leben zu ermöglichen.

 

Im Moment ist viel Hass zu spüren, was nicht normal ist. Mein persönliches Umfeld ist zum Glück „normal“ und ich kann dort Gespräche führen und diskutieren. Aber außerhalb dieses Umfelds sieht es anders aus. Ist es wirklich nötig, Deutschland zu verlassen? Und wenn ja, wohin? Oder soll ich weiter gegen diesen Hass kämpfen? Diese Frage habe ich noch nicht beantworten können.

 

Haben diese Gedanken und dieser Blog meine Zweifel zerstreut? Nein!

 

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