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Demokratie: Wir haben mehr zu verlieren, als wir glauben

  • Autorenbild: Zeev Rosenberg
    Zeev Rosenberg
  • 1. Juni
  • 5 Min. Lesezeit
KI Bild - Demokratie: Wir haben mehr zu verlieren, als wir glauben
KI Bild - Demokratie: Wir haben mehr zu verlieren, als wir glauben

Demokratie: Wir haben mehr zu verlieren, als wir glauben

In den letzten Wochen habe ich in meinem Newsletter über Werte geschrieben. Über Diskussionskultur. Über Antisemitismus. Jetzt geht es um das, was alles zusammenhält: unsere Demokratie. Viele halten sie für selbstverständlich. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Demokratie ist kein Geschenk. Sie ist eine Aufgabe. Wer das nicht erkennt, verliert mehr, als er glaubt.


Demokratie lebt von Werten. Von Meinungsfreiheit. Von Gleichheit. Von Respekt. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht im Grundgesetz. „Jeder ist jemand“, sagte George Tabori. Diese Sätze sind kein Schmuck. Sie sind das Fundament. Ohne sie ist alles nichts.


Heute stehen wir an einer Kreuzung. In Deutschland. In Europa. Eine Kreuzung, an der Demokratie nicht mehr als selbstverständlich gilt. Sie wird infrage gestellt, verspottet, angegriffen – von links und von rechts. Von Kräften, die bereit sind, Freiheit zu zerstören, wenn es ihnen Macht bringt.


Dabei ist Demokratie nicht perfekt. Aber sie ist – unter allem – die beste Staatsform, die wir haben. Sie sichert unsere Freiheit. Sie schützt unsere Würde. Sie gibt Raum für Streit, für Widerspruch, für Vielfalt. Nur: All das braucht unseren Einsatz. Sonst stirbt es.

Freiheit stirbt bei Gleichgültigkeit.


Hass, Hetze, Populismus, Antisemitismus, Fremdenhass, Homophobie – all das hat noch nie einer Demokratie genützt. Es spaltet, zersetzt, zerstört. Und am Ende bleibt nichts als das Chaos der Intoleranz.


Unverständlich ist für mich, dass Menschen, die in Diktaturen gelebt haben oder sie kennen, diese Diktatur offenbar zurückhaben wollen. Nicht nur Politiker. Bürger, die bereit sind, ihre eigene Freiheit, ihren Wohlstand, ihre Reisefreiheit wegzuwerfen. Ist das Dummheit? Wahn? Oder einfach ein eklatantes Versagen, aus der Geschichte zu lernen? Gerade die, die autoritäre Systeme herbeisehnen, sind unfähig, das zu leben, was Demokratie ausmacht: zuhören, diskutieren, Kompromisse suchen – ohne Hass, ohne Hetze, ohne Populismus.


Die Gefahr: Demokratie als Selbstverständlichkeit

Das sehen wir auch an unserer Diskussionskultur. Sie verschwindet. Stattdessen: „Entweder meine Meinung oder keine.“ Das hören wir von links. Das hören wir von rechts. Kompromisse? Fehlanzeige. Zuhören? Fehlanzeige. Demokratie braucht den Streit, den Diskurs – so war es schon im alten Athen. Doch was heißt Demokratie überhaupt? Wir müssen es uns wieder klarmachen.


So wie Margot Friedländer es gesagt hat: „Jeder ist jemand.“ Dieser Satz darf kein Lippenbekenntnis sein. Er muss gelebte Realität sein – jeden Tag. Solidarität darf keine Floskel bleiben. Sie muss spürbar sein. Sonst haben wir alles verloren.


Wir haben Werte, an denen wir uns orientieren können. Werte, die uns zeigen, wie wir miteinander umgehen sollen. Wie wir streiten, wie wir reden. Diese Werte gelten für alle – auch für die, die neu nach Deutschland kommen. Ja, wir brauchen Einwanderung. Aber Einwanderer müssen unsere Werte und unsere Gesetze achten. Sie dürfen keinen Hass oder Hetze auf die Straße tragen, keinen Antisemitismus verbreiten oder Gewalt. Und sie dürfen uns auch nicht ihren religiösen Einfluss oder ihr Gedankengut aufzwingen.


Doch das reicht nicht. Wir müssen wieder lernen, sachlich zu streiten. Ohne populistische Spielchen. Ohne Hass. Leider ist diese Diskussionskultur vielerorts verschwunden. Und mit ihr das Rückgrat unserer Demokratie. Wenn wir nicht mehr zuhören, nicht mehr widersprechen – dann haben wir schon verloren.


Es liegt an uns allen

Demokratie lebt nicht von schönen Worten. Sie lebt von Haltung. Von Mut. Von der Bereitschaft, Hass und Hetze zu widersprechen. Solidarität zu leben, nicht nur zu fordern. Aufzuklären. Sich einzumischen. Klar und deutlich.


Doch es ist nicht nur der einzelne Bürger. Auch viele Verbände und Gewerkschaften, die von einer vielfältigen Belegschaft profitieren, machen sich oft zu bequem. Sie baden in ihrem eigenen Saft, während sie laute Worte auf Podien sprechen – aber leise bleiben, wenn es um die Verteidigung von Demokratie und Menschenwürde geht. Gerade sie müssten sich klarer positionieren: gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen jede Form von Diskriminierung. Schweigen heißt mitmachen – das gilt für jeden, der sich gerne als Verteidiger von Demokratie und Vielfalt präsentiert.


Es reicht nicht, nur darüber zu sprechen. Worte müssen Taten folgen. Wer von Demokratie redet, muss auch Maßnahmen ergreifen – und sich entschieden gegen linke und rechte Kräfte stellen, die unsere Gesellschaft spalten und unsere Freiheit bedrohen. Wer Demokratie verteidigen will, darf nicht schweigen, sondern muss handeln.


Doch das reicht nicht. Demokratie ist auch Aufgabe der Medien – die verpflichtet sind, ausgewogen und sorgfältig zu recherchieren. Weg von Schlagzeilen, die nur Quote bringen, hin zu einer Berichterstattung, die der Wahrheit verpflichtet ist. Medien, die sich zu sehr in ihrer eigenen politischen Blase bewegen, schwächen das Vertrauen und damit die Demokratie selbst.


Auch große Unternehmen und Konzerne tragen Verantwortung. Sie profitieren von Demokratie und Freiheit, von stabilen Regeln und offenen Märkten. Doch viele schauen nur auf ihre Dividenden, nicht auf ihre moralische Verpflichtung. Sie investieren in Schurkenstaaten, nehmen Diktaturen als Geschäftspartner in Kauf – alles im Namen des Wachstums. Dabei übersehen sie: Langfristiger Gewinn und Demokratie sind keine Gegensätze. Im Gegenteil. Eine starke Demokratie ist die beste Garantie für nachhaltigen Erfolg – auch für Unternehmen.


Es ist an der Zeit, dass auch Medien und Wirtschaft nicht nur von Demokratie reden, sondern sie verteidigen. Nicht nur in Reden, sondern in Taten. Für Werte. Für Freiheit. Für Verantwortung.


Ulf Poschardt bei den Wiener Festwochen: Ein Beispiel für das, was unsere Demokratie dringend braucht – und woran sie so oft zu scheitern droht. Doch kaum beginnt er zu sprechen, wird er von Zwischenrufen unterbrochen – und als er weiterredet, verlassen diese Gegner demonstrativ den Saal. Sie wollen weder seine Meinung akzeptieren noch hören, was er wirklich sagt. Sie wollen auch keine Antworten. Ja, Poschardt ist umstritten, aber gerade das zeigt: Demokratie bedeutet, auch kontroverse Stimmen auszuhalten. Dass er sich traut, das zu sagen, was viele nicht hören wollen – und was manche ihm nicht gönnen, weil sie glauben, nur ihre Meinung sei die richtige –, zeigt, wie brüchig das Demokratieverständnis mancher (Linken und Rechten) ist. Statt Debatte: Flucht. Statt Diskurs: moralische Selbstgerechtigkeit. Doch wer nicht lernt, solche unbequemen Wahrheiten zu ertragen, der gefährdet unsere Demokratie. Gerade jetzt, wo Hamas das Leid der Zivilbevölkerung zynisch instrumentalisiert, müssen wir benennen, was ist – ohne falsche Kompromisse, ohne Wegducken. Demokratie braucht klare Worte und den Mut, sie auch auszusprechen.


Wir müssen begreifen: Gleichgültigkeit ist der Nährboden für den Triumph der Demokratie-Feinde. Schweigen heißt mitmachen. Nur wenn wir laut und klar für unsere Werte einstehen, haben wir eine Chance, das bröckelnde Fundament unserer Gesellschaft zu retten.


In einer Demokratie darf es keinen Platz für Antisemitismus, Fremdenhass oder Homophobie geben – nicht an den Rändern und schon gar nicht in der Mitte. Demokratie lebt von einer klaren Haltung: dem unerschütterlichen Bekenntnis zu Menschenwürde, Gleichheit und Solidarität. Wer das nicht verteidigt, verliert nicht nur Werte. Er verliert alles.


Deshalb müssen wir uns fragen:

Wollen wir eine Gesellschaft sein, die sich bequem zurücklehnt, während Hass immer lauter wird? Oder wollen wir eine Gesellschaft sein, die aufsteht, die nicht schweigt, die ihre Stimme erhebt – auch wenn es unbequem ist?


Fazit:

Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie lebt von uns allen – von unserem Mut, unseren Werten, unserem Willen, gegen Hass und Hetze aufzustehen. Demokratie verlangt, dass wir Verantwortung übernehmen – nicht nur für uns, sondern für das große Ganze. Wenn wir das verinnerlichen und leben, dann haben wir eine Chance, das bröckelnde Fundament zu retten. Dann zeigen wir: Wir sind bereit, für Freiheit, für Würde, für eine friedliche Gesellschaft einzutreten. Gerade jetzt – gerade dann, wenn es unbequem ist.

Jeder zählt. Deshalb ist Würde unantastbar.



 
 
 

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