top of page

City Tax – Wie Berlin seinen wichtigsten Wirtschaftszweig schwächt

  • Autorenbild: Zeev Rosenberg
    Zeev Rosenberg
  • 19. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit
ree

Kaum eine Stadt feiert sich so sehr für ihre Kreativität, Offenheit und Vielfalt – und bestraft gleichzeitig jene, die sie wirtschaftlich tragen. Die Berliner Politik schafft es, mit einer Mischung aus Selbstzufriedenheit und Ahnungslosigkeit ihre wichtigste Branche immer weiter unter Druck zu setzen: den Tourismus.


Seit dem 1. Januar 2014 gilt in Berlin eine Übernachtungssteuer – die sogenannte City Tax. Eingeführt wurde sie vom damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung der Hauptstadt (Quelle: berlin.de). Seitdem feiert die Politik diese Abgabe als Erfolg – während die Hotellerie und Beherbergungsbetriebe die Zeche zahlen.


Eine Stadt, die sich mit Großprojekten wie dem BER-Flughafen, dem Berliner Schloss oder der Neuen Nationalgalerie finanziell überhebt, sucht nach neuen Einnahmequellen. Statt effizienter Verwaltung, echter Digitalstrategie und überfälliger Beamtenreform wurde eine Steuer auf Gäste eingeführt, die am Ende jene Branche trifft, die Berlin mit am stärksten trägt: den Tourismus.


Nach der jüngsten Erhöhung – der zweiten innerhalb von zwei Jahren – zeigt sich eine gefährliche Tendenz. Seit 1. April 2024 gilt die Steuer auch für Geschäftsreisende, seit 1. Januar 2025 wurde sie auf 7,5 % des Netto-Übernachtungspreises erhöht (Quelle: convention.visitberlin.de, berlin.de). Die Befreiung für längere Aufenthalte wurde gestrichen. Laut der IHK Berlin trifft dies vor allem das preissensible Low-Cost-Segment, das bisher eine zentrale Stärke des Berliner Tourismus war (Quelle: ihk.de).


Tatsächlich nehmen die Einnahmen stetig zu: 2023 flossen 58,7 Mio. €, 2024 bereits 89,6 Mio. €, für 2025 rechnet der Senat mit 137 Mio. € (Quelle: pardok.parlament-berlin.de). Gleichzeitig warnen Branchenvertreter, dass steigende Übernachtungspreise Touristen und Geschäftsreisende zunehmend abschrecken – ein Risiko, das politisch offenbar billigend in Kauf genommen wird.


Das Verhalten der Interessenvertretungen der Branche wirkt in diesem Zusammenhang zwiespältig. Zwar gab es Versuche, politischen Druck aufzubauen – teils auf massives Drängen aus den Betrieben selbst. Ein offener Brief wurde verschickt, doch erst, nachdem der Unmut kaum noch zu überhören war. Geändert hat das wenig, denn es kam zu spät. Viele Verantwortliche in der Branche erfuhren erst davon, als das „Spiel“ längst vorbei war. Der angekündigte „runde Tisch“ fand wie geplant statt – ohne Konsequenzen, ohne Kurskorrektur. Business as usual.


Genau das zeigt, wie gering das Gewicht der Branche in der politischen Wahrnehmung ist. Während Hotels mit steigenden Kosten, wachsendem Wettbewerbsdruck und sinkenden Margen kämpfen, bleibt die Reaktion des Senats aus. Gespräche gibt es, Ergebnisse nicht – jedenfalls nichts, was bekannt oder spürbar wäre. Symbolpolitik ersetzt Handeln. Was fehlt, ist eine klare Botschaft: Die Berliner Hotellerie ist keine endlose Einnahmequelle, sondern einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren dieser Stadt.

Warum also keine gerechtere Lösung in Berlin? Eine branchenübergreifende Zusatzsteuer von 0,2 % auf den Umsatz im Einzelhandel, bei Taxis oder Eventdienstleistern würde die Last gerechter verteilen. Angenommen, der Berliner Einzelhandel erzielt jährlich rund 100 Milliarden Euro Umsatz, ergäbe das zusätzliche 200 Millionen Euro Einnahmen – mehr als das Doppelte der City-Tax-Einnahmen von 2024 (Quelle: pardok.parlament-berlin.de). Eine faire Lösung, wirtschaftlich tragfähig, und sie würde die Belastung auf jene Schultern verteilen, die ebenfalls vom Tourismus profitieren. Denn Touristen geben ihr Geld nicht nur für Übernachtungen aus, sondern auch in Restaurants, Geschäften, Museen und Verkehrsbetrieben. Eine moderate, flächendeckende Abgabe könnte gerechter wirken – und die Einnahmen der Stadt stabilisieren, ohne eine einzelne Branche ausbluten zu lassen.


Schon jetzt leidet die Hotelbranche – und damit viele andere Akteure in Berlin – unter dem Rückgang von Touristen und Kongressreisenden. Grund dafür sind zu wenige direkte Flugverbindungen; zudem bedient die nationale Fluggesellschaft Lufthansa Berlin kaum noch mit Direktflügen etwa nach Paris, London oder New York. Es fehlt ein modernes Kongresszentrum, und die vielen gewalttätigen Demonstrationen, deren Bilder sich in sozialen Netzwerken verbreiten, verschlechtern das Image der Stadt zusätzlich. Studien belegen, dass gewaltsame Protestbilder in sozialen Medien das Sicherheitsgefühl und die touristische Attraktivität von Städten deutlich beeinträchtigen (Quelle: arXiv.org – Protest Activity Detection and Perceived Violence Estimation from Social Media Images, 2017).


Wenn Berlin wirklich seinem wichtigsten Wirtschaftsfaktor helfen will, dann muss es jetzt handeln – und nicht irgendwann. Sonst droht der Tourismus in dieser Stadt weiter zu erodieren: erst durch die City Tax, dann durch fehlende Flugverbindungen und schließlich durch ein nicht vorhandenes Kongresszentrum.


All das ist kein Zufall, sondern Folge politischer Versäumnisse. Der Senat und die jeweiligen Regierungen tragen dafür die Verantwortung – vollständig und ohne Ausreden. Die Hotel- und Gastronomiebranche wiederum muss sich fragen: Wie setzt sie ihre Interessen künftig durch? Der bisherige Einsatz hat kaum Wirkung gezeigt; die Strategie war zu leise, zu angepasst, zu zahm.


So kann es nicht weitergehen. Berlin steht an einem Punkt, an dem Reden nicht mehr reicht. Wer diese Stadt wirklich liebt – und wirtschaftlich versteht – muss den Mut haben, laut zu werden, bevor das, was Berlin ausmacht, still verschwindet.


Denn am Ende bleibt eine einfache Wahrheit:Berlin muss sich entscheiden, ob es Tourismus will – oder nur sein Geld.


 
 
 
bottom of page