„Nie wieder“ ist wieder da – der Antisemitismus ist zurück. Und wie!
- Zeev Rosenberg
- 24. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Bevor reflexartig der Vorwurf kommt, hier werde Israel einseitig verteidigt, gilt es einige Punkte klarzustellen:
- Alle israelischen Geiseln müssen freigelassen werden. 
- Der Krieg muss sofort beendet werden. 
- Die Hamas darf im Gazastreifen nicht länger regieren. 
- Benjamin Netanyahu sollte abgewählt werden – Israel ist eine Demokratie. 
- Rechtsradikale Parteien dürfen in keiner israelischen Regierung vertreten sein. 
Antisemitismus sichtbar wie nie
Seit dem Massaker der Hamas am 7.10.23 erleben wir weltweit einen Antisemitismus, wie ihn kaum jemand für möglich gehalten hätte. In deutschen Städten werden Juden beschimpft, wenn sie eine Kippa, einen Davidstern oder hebräischen Text sichtbar tragen. Selbst eine israelische Webseite auf dem Smartphone reicht, um zur Zielscheibe zu werden.
Warum Synagogen und jüdische Einrichtungen in Deutschland seit Jahren von der Polizei geschützt werden müssen – nach dem 7. Oktober 2023 noch intensiver –, während Kirchen und Moscheen dies nicht benötigen, hat eine eindeutige Ursache: Antisemitismus. Menschen, die die liberalen, demokratischen Werte und die Religionsfreiheit nicht akzeptieren, drohen mit Hass und Gewalt oder setzen diese um. Deshalb gelten israelische und jüdische Einrichtungen als besonders gefährdet. Und deshalb stehen inzwischen auch einzelne jüdische Bürgerinnen und Bürger unter staatlichem Schutz – allein, weil sie von ihrem demokratischen Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch machen.
Von Parolen bis zu Übergriffen
Bei Demonstrationen, oft von Vermummten getragen, sind Parolen wie „Zionismus = Rassismus“ gängige Praxis. Diese Aussagen sind keine Meinung, sondern antisemitische Hetze (§ 130 StGB).
In Frankfurt wurden Geiseldarstellungen vom Zaun gerissen – Menschen, die sie anbrachten, wurden mit Farbe attackiert. In Berlin-Wedding tauchten Davidsterne und Parolen wie „Fuck the Hostage“ oder „FCK Zionist“ auf. Die Linksjugend in Frankfurt äußerte den Tod jüdischer Schüler – zynisch mit dem Kommentar: „Der Rauswurf fand nicht statt, während das Flugzeug in der Luft war.“
Diese Eskalation überschreitet jede Form legitimen Protests. Sie ist blanker Judenhass.
Tief verwurzelte Lügen
Antisemitismus ist kein neues Phänomen. Er besteht seit Jahrhunderten und gründet auf Mythen – Juden würden „Blut trinken“, hätten lange Nasen oder seien „reich und mächtig“. Ironischerweise standen Juden im Mittelalter gerade deshalb wirtschaftlich im Licht, weil ihnen viele Berufe verwehrt waren – Handwerk, Landwirtschaft, Beamtengehälter. Nischen wie Geldverleih oder Handel wurden ihnen zugeschrieben – später Grundsteine grausamer Stereotype.
In Krisenzeiten – ökonomische Not ebenso wie Aufschwung – wird Antisemitismus aktiviert. Es wirkt fast wie ein kulturelles Gedächtnis immer neuer Feindbildproduktion.
Einseitigkeit, Schweigen und mediale Mitschuld
Irritierend bleibt der offene Brief zahlreicher Künstler an den Bundeskanzler: Israel wird kritisiert – der aggressive Kriegsbeginn, Hamas-Terror, die Entführung israelischer Geiseln bleiben ungenannt. Objektivität sieht anders aus.
Das SWR-Kulturressort schrieb, Israel habe den Krieg begonnen – eine Realitätsverzerrung mit potenziell brandgefährlicher Wirkung. Auch öffentlich-rechtliche Sender wie ZDF oder ARD berichten zunehmend einseitig – der Anspruch, objektiv zu sein, ist kaum noch erkennbar. Damit schüren sie indirekt Antisemitismus.
Dass der Krieg ein Ende finden muss, dass Hunger und Tod der Menschen in Gaza aufhören müssen, steht unbestritten. Objektivität in der Berichterstattung muss aber auch die Realität des Antisemitismus in deutschen Städten zeigen – nicht nur international.
Die Rolle von RIAS im Überblick
Der Bundesverband RIAS (Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus) dokumentiert seit 2015 antisemitische Vorfälle bundesweit und deckt damit ein Dunkelfeld auf, das Polizei oder offizielle Statistik oft nicht erfassen.
- 2023: Rund 4 800 Vorfälle – davon 58 % nach dem 7.10.23. 
- 2024: 8 827 Vorfälle dokumentiert – Anstieg um 77 % im Vergleich zu 2023, das sind rund 24 Vorfälle pro Tag; 5 857 davon israelbezogen. 
- In Berlin allein registrierte RIAS in sechs Monaten 2024 über 1 383 Vorfälle, mehr als im gesamten Vorjahr. 
Diese Zahlen verdeutlichen: Antisemitismus ist längst nicht Randphänomen – er ist alltägliches, wachsendes Problem.
Boykott und Isolation
Boykottaufrufe gegen israelische Produkte, Restaurants oder Bildungseinrichtungen nehmen kein Ende. Wann wurde je vor russischen Restaurants demonstriert? Wann arabische Einrichtungen diffamiert? Die Antwort ist eindeutig: nie. Warum also richtet sich der Zorn ausschließlich gegen Israelis und Juden?
In Berlin mussten in den vergangenen Monaten bereits vier bis fünf israelische Restaurants wegen Antisemitismus und Israelhass schließen. Nun steht auch das Restaurant Kanaan, in Berlin, das als israelisch-palästinensisches Gemeinschaftsprojekt galt, kurz vor dem Aus. Politik und Dehoga schweigen dazu. Offensichtlich reicht die Bestürzung nur so weit, wie es um Mitgliederinteressen geht – nicht um moralische Pflicht.
Das ist nicht nur traurig und peinlich, sondern zeigt vor allem eines: ein eklatantes Desinteresse an Moral und Werten.
Fazit
Antisemitismus ist keine Randerscheinung und kein neues Phänomen – er ist tief in Mythen, Lügen und Vorurteilen verwurzelt, die seit Jahrhunderten weitergetragen werden. Die Ereignisse seit dem 7.10.23 zeigen, wie schnell diese Muster wieder aufbrechen und wie gefährlich Gleichgültigkeit ist. Politik, Verbände, Medien und Gesellschaft müssen den Mut haben, Antisemitismus klar zu benennen, ihm entschieden entgegenzutreten und Solidarität mit Jüdinnen und Juden sichtbar zu machen.
Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland – und auch ich persönlich – haben große Sorge, dass Antisemitismus das jüdische Leben hier weiter oder noch stärker erschweren wird. Der Hass gegenüber jüdischen Bürgerinnen und Bürgern wird täglich sichtbarer. Wenn wir jetzt nichts dagegen tun, verschärft sich die Lage weiter. Und das bedeutet: keine symbolischen Gesten wie „Lichterketten“ oder "Sonntagsreden", sondern konsequentes Handeln im Alltag, überall dort, wo Antisemitismus auftritt.
Seit Jahren arbeite ich respektvoll mit Mitarbeitenden aller Nationen und Religionen – und das mit Freude. Politik hat in meinem Arbeitsalltag keinen Platz. Genau das erwarte ich auch von der Zivilgesellschaft: dass wir respektvoll und in Koexistenz zusammenleben und uns alle auf die demokratischen, liberalen Werte verpflichten.
Antisemitismus zerstört Menschlichkeit – „Nie wieder“ gilt jetzt, weil jeder Mensch jemand ist.
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