7 % Mehrwertsteuer – Signal, Chance oder Gnadenfrist für die Gastronomie
- Zeev Rosenberg
- 3. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Nach Jahren der Krise, Unsicherheit und schmerzhaften Schließungen kehrt die reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen zum 1. Januar 2026 zurück. Eine politische Entscheidung, die kein Selbstläufer ist, sondern ein hart erarbeiteter Erfolg – vor allem durch den DEHOGA-Bundesverband, und nicht durch andere Vereinigungen, die sich gern damit schmücken. Doch was wie ein wirtschaftlicher Lichtblick erscheint, ist vor allem eines: ein Prüfstein für Vertrauen und Verantwortung.
Die Ausgangslage bleibt angespannt. Seit 2020 haben laut Creditreform rund 48.000 Betriebe im Gastgewerbe dauerhaft geschlossen. CRIF prognostiziert für 2024 rund 1.190 Insolvenzen – ein Anstieg von über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Umsatzzahlen zeichnen ein klares Bild: Das Statistische Bundesamt meldet für 2024 einen realen Rückgang von 3,8 Prozent, im Vergleich zu 2019 liegt der Wert sogar um 15,8 Prozent niedriger. Hogapage berichtet über einen nachhaltigen Rückgang der Gästezahlen, obwohl die nominalen Umsätze durch Preissteigerungen scheinbar stabil bleiben.
Vor diesem Hintergrund ist die Rückkehr zur 7-Prozent-Regelung mehr als nur eine finanzpolitische Maßnahme. Sie ist ein politisches Signal – verbunden mit einer klaren Erwartungshaltung. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil kündigte bereits an, genau beobachten zu wollen, ob die Entlastung bei den Gästen ankommt – nicht nur in Form von günstigeren Preisen, sondern als spürbare Wertschätzung und Servicequalität. Die Branche steht damit nicht nur vor einer betriebswirtschaftlichen, sondern auch vor einer kommunikativen Herausforderung. Wer reflexhaft erklärt, nichts weitergeben zu können, riskiert ein falsches Bild: jenes vom gewinnorientierten Betrieb, der Chancen nicht erkennt oder gar verspielt.
Gleichzeitig lässt sich nicht leugnen: Die Kosten steigen weiter. Der gesetzliche Mindestlohn wird 2026 auf 13,90 Euro erhöht. Energie, Waren und Personal belasten viele Betriebe nach wie vor massiv. Und dennoch: Die Chance liegt nicht in der Rückkehr zur alten Normalität, sondern in der ehrlichen Weiterentwicklung. Gäste erwarten kein Dumping, aber sie spüren sehr genau, ob ein Restaurant aufrichtig handelt, ob es Qualität bietet, ob es mit Haltung geführt wird. Wer jetzt transparent kommuniziert, fokussierte Angebote entwickelt, in Team und Atmosphäre investiert und nicht einfach nur die Preisschilder neu druckt, wird dieses Vertrauen zurückgewinnen – und neu festigen.
Die Gastronomie ist nicht irgendein Wirtschaftszweig. Sie ist sozialer Raum, kulturelles Gut, Teil unserer Alltagsidentität. Cafés, Wirtshäuser, Restaurants – sie stiften Begegnung, Zugehörigkeit, Heimatgefühl. Und genau deshalb lohnt es sich, mehr daraus zu machen als nur eine Senkung der Mehrwertsteuer. Sie ist ein Impuls, nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Die Gäste beobachten genau, wie die Branche mit dieser Gelegenheit umgeht. Wer sie nutzt, um klarer, ehrlicher und gastfreundlicher zu agieren, zeigt, dass Gastronomie nicht nur in der Krise systemrelevant ist – sondern im Alltag unverzichtbar bleibt.
Fazit:
Die Rückkehr zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz ist keine Rückabwicklung der Vergangenheit – sondern eine Einladung, die Zukunft aktiv zu gestalten. Sie ist weder ein automatischer Rettungsanker noch ein politisches Trostpflaster. Sie ist ein Angebot an die Branche, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, neue Wege einzuschlagen und mit Qualität, Transparenz und Haltung zu überzeugen.
Wer die sieben Prozent nutzt, um echte Erlebnisse zu schaffen, Gästen Orientierung zu bieten und glaubwürdig aufzutreten, wird langfristig profitieren – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Wer sie hingegen als selbstverständlich hinnimmt oder rein rechnerisch abtut, riskiert, dass diese Chance ungenutzt bleibt.
Gastronomie bleibt dann relevant, wenn sie nicht nur Preise kalkuliert, sondern Beziehungen pflegt – mit den Gästen, mit der Gesellschaft, mit der eigenen Überzeugung.
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