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F&B – Eine Branche ohne Stimme?

  • Autorenbild: Zeev Rosenberg
    Zeev Rosenberg
  • 10. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Seit 2017 gibt es in Deutschland keinen eigenständigen Verband mehr für die wichtige Sparte F&B (Food & Beverage). Über Jahrzehnte war es der FBMA Verband, der diese traditionsreiche Abteilung unterstützte, vernetzte und ihr eine Plattform gab. Die FBMA organisierte Branchentreffen, bot Schulungen für Führungskräfte an, förderte junge Talente, initiierte Wettbewerbe und war ein Ort für Austausch zwischen Praktikern und Lieferanten. Heute ist diese Stimme verstummt – und das Vakuum ist geblieben.

Zwar gibt es zahlreiche Hotel- und Gastroverbände wie IHA, IFH, HSMA, Verband der Köche Deutschlands, HDV und andere. Doch keiner hat diese Lücke wirklich geschlossen – und sie ist bis heute in der Branche spürbar.


Die HSMA ist aktuell dabei, einen F&B-Expertenkreis zu gründen – der noch amtierende Vorstand und die Geschäftsstelle haben diesen Schritt beschlossen. Das ist ein positives Signal. Aber wenn wir ehrlich sind: Die Branche braucht keinen Arbeitskreis, sondern einen F&B-Verband, geführt von Fachleuten für Fachleute.


Denn die Themen, die F&B heute prägen, sind vielfältiger und komplexer denn je:Neue Technologien in der Küche, digitale Kassensysteme, smarte Reservierungslösungen, Nachhaltigkeitsstrategien, Energieeffizienz, moderne Recruiting-Methoden, rechtliche Rahmenbedingungen, Künstliche Intelligenz in Planung und Service, Personalentwicklung, Kalkulation und Controlling. All das verlangt gebündelte Expertise, kontinuierlichen Austausch und praxisnahe Hilfestellung. Doch eine solche Interessen­gemeinschaft existiert nicht.


Warum eigentlich?Ist F&B nicht „schick genug“ für die öffentliche Wahrnehmung? Lässt sich damit nicht glänzend Politik machen oder auf Fachmessen für Schlagzeilen sorgen? Oder – und das wäre die bittere Erkenntnis – gilt F&B heute einfach nicht mehr als zentraler Erfolgsfaktor in Hotellerie und Gastronomie?


Wir stehen vor riesigen Herausforderungen – und müssen sehen, dass die Gastronomie nicht untergeht. Viele Gäste bleiben Restaurants fern, weil die Preise gestiegen sind, die Öffnungszeiten nicht mehr zu ihrem Alltag passen oder weil der Service nicht überzeugt. Gleichzeitig kämpfen viele Gastronomen mit organisatorischen Hürden und haben Schwierigkeiten, die Zeichen der Zeit zu verstehen oder sich modern aufzustellen.

Dazu kommen neue gastronomische Trends, die mit hoher Geschwindigkeit auf den Markt drängen – und neue Erwartungen der Gäste. Pflanzliche und gleichzeitig regional gedachte Menüs verdrängen die reinen Fleischfokussierungen, alkoholfreie und alkoholreduzierte Getränke erleben einen Boom, smarte Küchentechnik und KI-gestützte Warenwirtschaft optimieren Abläufe, und hyperpersonalisierter Service wird vom Luxusmerkmal zum Standard. Nachhaltigkeit – von CO₂-Reduktion über plastikfreie Verpackungen bis zu energiesparender Küchentechnik – ist längst kein Zusatzangebot mehr, sondern Grundbedingung für Glaubwürdigkeit. Gäste wünschen sich nachhaltige, regionale Produkte – doch wenn sie die Preise sehen, bleiben viele fern. Vegetarische und vegane Gerichte sind mittlerweile fester Bestandteil vieler Speisekarten, werden jedoch oft zu wenig strategisch vermarktet. Dabei wächst dieses Segment rasant und bietet enorme Chancen für Umsatz, Image und Gästezufriedenheit.


Doch wer sorgt dafür, dass solche Entwicklungen in den Betrieben ankommen, dass sie verstanden und wirtschaftlich umgesetzt werden? Wer bündelt das Wissen und gibt Orientierung? Genau hier fehlt die zentrale Interessenvertretung für F&B.


Wie groß das Potenzial ist, zeigen die Zahlen: Im deutschen Hotelsegment lag der Gesamtumsatz 2022 bei rund 31 Mrd. € (USDA, 2023). Der durchschnittliche Anteil der F&B-Sparte – also Restaurants, Bars, Bankette und Tagungsbewirtung – liegt in deutschen Hotels bei etwa 25–30 % des Gesamtumsatzes. Das entspricht einem jährlichen F&B-Volumen von ≈ 7,5–9 Mrd. € (Lodging Magazine, 2023). Eine wirtschaftliche Größe, die den strategischen Stellenwert von F&B untermauert – und gleichzeitig verdeutlicht, wie schwer es wiegt, dass diesem Bereich keine eigenständige Interessenvertretung zur Seite steht.


Zum Vergleich: In anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA übernehmen Verbände wie das Institute of Hospitality oder die National Restaurant Association genau diese Rolle – sie bündeln Wissen, vertreten Interessen in der Politik und bieten Plattformen für Weiterbildung und Networking. Deutschland leistet sich hier eine Leerstelle.


Das Mitgliederpotenzial wäre enorm: Mehr als 12.000 Hotels in Deutschland, von denen ein Großteil über Restaurants, Bars und Tagungsräume verfügt – dazu unzählige gastronomische Betriebe in der Hotellerie, Caterer und Eventgastronomen.

Die Herausforderungen sind enorm:

  • Der Branchenumsatz der Gastronomie lag 2024 laut Statistischem Bundesamt bei rund 65,3 Milliarden Euro, real noch immer 12 % unter dem Vorkrisenniveau.

  • 55 % der Betriebe nennen Fachkräftemangel als größte Hürde.

  • Die Personalkostenquote liegt vielerorts bei über 40 % – ein Rekordwert.

Die Corona-Pandemie hat Geschäftsmodelle verschoben, Kalkulationen unter Druck gesetzt und neue Marktregeln geschaffen. Genau in diesem Umfeld fehlt F&B die starke Stimme, die den Schulterschluss organisiert – so wie es HSMA oder IHA in ihren Kernbereichen tun. Stattdessen: Einzelkämpfertum.

Ja – die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen war ein Erfolg, maßgeblich durch den Dehoga Bundesverband erstritten. Aber das beantwortet nicht die entscheidende Frage: Wer unterstützt die Gastronomen und F&B-Manager wirklich – kontinuierlich, praxisnah und kompetent?


Die ehrliche Antwort: Niemand.

Und genau deshalb braucht die Branche wieder eine eigene Plattform – nicht als nostalgische Erinnerung an die FBMA, sondern als handlungsfähige, moderne Interessenvertretung, die den kompletten F&B-Bereich abdeckt und den Menschen dahinter eine starke, hörbare Stimme gibt.

Was also tun?Ein neuer Verband oder Verein für F&B wäre im Grunde sinnvoll – keine Frage. Ob er finanziell sofort auf sicheren Beinen stünde, ist eine andere. Entscheidend wäre der Start mit einer klaren Vision, einer schlanken Struktur und einem klar definierten Mehrwert für die Mitglieder.


Es braucht innovative, mutige und engagierte Menschen, die sich dem Thema annehmen – nicht aus Imagegründen, sondern aus echter Überzeugung. Menschen, die den F&B-Bereich verstehen, ihn weiterentwickeln wollen und bereit sind, Zeit und Energie zu investieren. Die Zukunft dieses Segments wird nicht von denen gestaltet, die am lautesten reden, sondern von denen, die konsequent handeln und Brücken schlagen – zwischen Küche, Service, Management, Technik und Gästen.


Der erste Schritt könnte ein Initiativkreis sein, der die Gründung vorbereitet, Strukturen definiert und den Bedarf konkret erfasst. Denn nur so kann aus einer Idee wieder eine starke Interessenvertretung werden, die dem F&B-Bereich in Deutschland eine Stimme zurückgibt – und die Branche zukunftsfähig macht.


Fazit:Food & Beverage ist nicht Beiwerk – es ist das wirtschaftliche und emotionale Herz vieler Hotels und Gastronomiebetriebe. Mit einem jährlichen Umsatzvolumen von mehreren Milliarden Euro allein im Hotelsegment trägt dieser Bereich maßgeblich zur Rentabilität bei. Gleichzeitig prägt er das Gästeerlebnis, entscheidet über Wiederkehrer und Reputation.


Dass es für einen so bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland seit Jahren keine eigenständige, schlagkräftige Interessenvertretung mehr gibt, ist nicht nur eine Lücke – es ist ein strategischer Fehler. Wer F&B stärkt, stärkt die gesamte Hospitality-Branche. Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Jetzt braucht es Mut, Initiative und den Willen, diese Stimme wieder hörbar zu machen.

@DEHOGA @HSMADeutschland @IHAHotelverband @VerbandDerKoecheDeutschland

 
 
 

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