Berlin, Berlin – wir fahren nicht nach Berlin
- Zeev Rosenberg
- 31. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Ein Wochenende in Paris macht schmerzhaft deutlich, wie Berlin im internationalen Vergleich zurückbleibt. Die französische Hauptstadt präsentiert sich mit gepflegten Straßen, sauberen Parks ohne sichtbare Mülleimer, saubere Innenstadt, hohe Polizei Präsenz, vollen Restaurants und Hotels sowie einer lebendigen Atmosphäre – ganz ohne Klagen über „Overtourism“. Paris funktioniert.
Berlin dagegen bleibt in vielen Bereichen hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Stadt ist zweifellos attraktiv: Geschichte, Kultur, Kreativität, Wissenschaft und Start-up-Szene sind unverändert starke Argumente. Genau das macht den Stillstand so ärgerlich: Es fehlt eine erkennbare Strategie, die diese Stärken zu einem nachhaltigen Zukunftsmodell bündelt.
Flugverbindungen: Armutszeugnis für eine Hauptstadt
Während Paris über zwei internationale Flughäfen mit engmaschiger Anbindung verfügt, bleibt Berlin abgeschlagen. Der BER bietet rund 150 Direktziele – doch entscheidende Destinationen wie Singapur, Tokio, Hongkong, Seoul oder die US-Westküste fehlen. Dass die nationale Airline Lufthansa die Hauptstadt praktisch ignoriert und Berlin nicht als Hub betrachtet, ist ein Armutszeugnis. Noch peinlicher ist, dass eine Änderung nicht einmal diskutiert wird. Für eine Metropole, die international wettbewerbsfähig sein will, ist das ein gravierender Nachteil.
Kongresswesen: Vom Weltspitzenplatz ins Mittelfeld
Das ICC, einst eines der renommiertesten Kongresszentren weltweit, ist seit 2014 geschlossen. Ein Ersatz oder eine Wiedereröffnung ist nicht in Sicht. Damit hat die Stadt einen zentralen Wettbewerbsvorteil verspielt. Zwar gibt es Alternativen wie das Estrel, doch im internationalen Maßstab reicht das nicht. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 2013 lag Berlin im ICCA-Ranking auf Platz 5, 2014 auf Platz 4. Zwischen 2015 und 2017 hielt die Hauptstadt konstant den vierten Platz und erreichte 2018 sogar Rang 3 weltweit – direkt hinter Wien und Barcelona. Heute, im Jahr 2024, reicht es nur noch für Platz 12. Der Abstieg von einer stabilen Top-Position ins Mittelfeld zeigt, wie stark Berlin im globalen Wettbewerb an Bedeutung verloren hat.
Steuerlast und Regulierung: Abgaben statt Impulse
Die Übernachtungssteuer wurde schrittweise ausgeweitet: Seit 2024 gilt sie auch für Geschäftsreisende, Anfang 2025 wurde sie auf 7,5 Prozent erhöht. Anstatt die Einnahmen sichtbar in touristische Infrastruktur oder Vermarktung zu lenken, verschwinden sie im allgemeinen Haushalt. Parallel sorgen bürokratische Hürden für absurde Situationen – etwa am Gendarmenmarkt, wo Schirme und Mobiliar untersagt wurden, weil der Denkmalschutz Vorrang habe.
Tourismus und Gastronomie: Abwärtstrend mit Folgen
Die Übernachtungszahlen sind rückläufig: Im ersten Quartal 2025 liegt das Minus bei über drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2019 wurden noch 34 Mio. Übernachtungen registriert, 2024 nur noch rund 30,6 Mio. Auch die Hotellerie ist unter Druck – durchschnittliche Zimmerpreise sinken. Besonders hart trifft es die Gastronomie: Fast 20 % Umsatzverlust gegenüber 2019. Während in Paris Restaurants bis spät in die Nacht voll sind, klagen Berliner Gastronomen über ausbleibende Gäste.
Dauer-Demonstrationen: Imageproblem für die Hauptstadt
Hinzu kommt die hohe Zahl an Demonstrationen: 2024 wurden über 7.600 Versammlungen gezählt – im Schnitt mehr als 20 pro Tag. Diese Impressionen prägen die sozialen Medien und schrecken Touristen ab. Paris wirkte im selben Zeitraum an seinen touristischen Plätzen weitgehend protestfrei – ein Unterschied, der im internationalen Vergleich stark ins Gewicht fällt.
Fünf Hebel für ein starkes Berlin
Um aus dieser Abwärtsspirale herauszufinden, braucht Berlin klare Prioritäten. Der Hauptstadtflughafen muss international besser angebunden werden. Fehlende Langstrecken nach Asien und in die USA schwächen nicht nur den Tourismus, sondern auch den Wirtschaftsstandort. Auch im Kongresswesen ist eine Entscheidung unumgänglich: Ohne ein neues oder wiederbelebtes ICC bleibt Berlin für internationale Großkongresse unattraktiv. Die City-Tax sollte zudem zweckgebunden für Sauberkeit, Sicherheit und Tourismusmarketing eingesetzt werden, statt im Haushalt zu verschwinden. Gleichzeitig braucht es den Abbau bürokratischer Hürden für Gastronomie und Veranstaltungen. Und schließlich darf die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum nicht länger vernachlässigt werden – gepflegte Plätze, saubere Straßen und sichere Parks sind die beste Visitenkarte einer Stadt.
Vision 2030
Berlin hat das Potenzial, wieder ganz vorne mitzuspielen. Die Stadt bleibt eine Kultur- und Wissenschaftsmetropole von Weltrang, eine Magnet für Kreative, Start-ups und internationale Besucher. Doch dieses Potenzial muss mit einer klaren Vision verbunden werden. Berlin 2030 sollte nicht länger für Baustellen, Dauerproteste und verpasste Chancen stehen – sondern für Weltoffenheit, Qualität und Zuverlässigkeit.
Dabei ist es an der Zeit, die Selbstinszenierung herunterzufahren. Ständig zu betonen, dass man mit dem Regierenden Bürgermeister oder dem Finanzsenator „spricht“ oder „am Tisch sitzt“, bringt nichts, wenn anschließend neue Auflagen und Abgaben folgen. Ernsthafte Lösungen entstehen im ruhigen, sachlichen Dialog. Weniger Selbstdarstellung, mehr Substanz – das ist die Voraussetzung, um Vertrauen zurückzugewinnen und echte Fortschritte zu erzielen.
Quellen
- Flughafen BER – Flugziele: ber.berlin-airport.de 
- Tagesspiegel: Fehlende Langstrecken am BER (2025): tagesspiegel.de 
- Handelsblatt: Bund steigt aus Lufthansa aus (2023): handelsblatt.com 
- Lufthansa Policy Brief: lufthansagroup.com 
- RBB24: ICC Berlin und seine Zukunft (2024): rbb24.de 
- ICCA Ranking 2013–2024: iccaworld.org, kongres-magazine.eu 
- Berliner Morgenpost: Bettensteuer erhöht (2025): morgenpost.de 
- ETC Report Tourist Taxes (2023): etc-corporate.org 
- Berliner Zeitung: Gendarmenmarkt Gastronomie (2024): berliner-zeitung.de 
- Amt für Statistik Berlin-Brandenburg: Tourismuszahlen 2025: statistik-berlin-brandenburg.de 
- Tagesspiegel: Übernachtungen Berlin (2024): tagesspiegel.de 
- STR Global Daten 2025: str.com 
- Destatis: Gastgewerbe Statistik: destatis.de 
- BZ Berlin: Rekordzahl Demos (2024): https://www.bz-berlin.de/berlin/berlin-jeden-tag-21-demonstrationen 









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