Diversität heißt auch: Erfahrung zählt. Warum Altersvielfalt mehr ist als ein soziales Ideal
- Zeev Rosenberg
- 20. Juli
- 3 Min. Lesezeit

Wenn in Unternehmen über Diversität gesprochen wird, geht es meist um Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Identität. Das ist berechtigt – aber es greift zu kurz. Denn es wird dabei eine Dimension übersehen, die mindestens genauso relevant ist: das Alter. Genauer gesagt: die bewusste Einbindung erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über 40 oder 50 Jahre – nicht als Ausnahme, sondern als Teil einer strategisch gedachten, gelebten Vielfalt.
Viele Organisationen sprechen von Vielfalt. Sie betonen ihre Offenheit, ihre Inklusionskultur, ihre Werte. Doch wenn man genauer hinsieht, fällt auf: Die Altersdiversität bleibt oft außen vor. Stattdessen dominieren junge Karrierewege, schnelle Digitalisierungsprojekte, dynamische Zielbilder.
Die Frage stellt sich: Warum handeln Unternehmen so einseitig – und folgen dem Mainstream, statt aktiv eine gesunde Mischung der Generationen zu gestalten? Warum bleibt Altersvielfalt in der Praxis oft ein blinder Fleck?
Jüngere Mitarbeitende gelten als flexibler, digitaler, kostengünstiger. Also werden sie bevorzugt eingestellt, entwickelt, öffentlich sichtbar gemacht. Erfahrene Kräfte hingegen geraten aus dem Fokus – nicht selten aus wirtschaftlichen Gründen. Dabei wäre es gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kurzsichtig, auf das Erfahrungswissen einer ganzen Generation zu verzichten.
Ein aktueller Artikel bei n-tv verdeutlicht das strukturelle Problem: In Urlaubsregionen müssen Restaurants ihre Öffnungszeiten einschränken – nicht aus strategischer Entscheidung, sondern mangels Personal. Der Arbeitsmarkt ignoriert systematisch Erfahrungsressourcen, die längst zur Lösung beitragen könnten.
Auch die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) zeigt: Ein ganzheitlich verstandenes Diversity-Management schließt explizit auch Altersdiversität ein – als wirtschaftlich relevanten Erfolgsfaktor. Auf ihrer Website finden sich praxisnahe Perspektiven und Strategien, wie Vielfalt über alle Lebensphasen hinweg gefördert werden kann:www.inqa.de/diversitaetsmanagement
Zugleich bestätigt eine aktuelle Studie von Kununu, wie stark Diversität die Zufriedenheit und Bindung von Mitarbeitenden beeinflusst – unabhängig von Alter, Herkunft oder Geschlecht. Teams, die sich als vielfältig empfinden, berichten über eine signifikant höhere Motivation, Innovationsfähigkeit und Identifikation mit ihrem Unternehmen. Diese Ergebnisse machen deutlich: Diversität ist kein moralisches Add-on – sie ist ein Wettbewerbsvorteil.
Altersvielfalt bedeutet eben nicht nur das Nebeneinander verschiedener Jahrgänge. Es bedeutet, Erfahrung und Zukunft bewusst miteinander zu verzahnen. Ältere Mitarbeitende bringen Urteilsvermögen, Ruhe in Veränderungsprozesse und ein tiefes Verständnis für operative wie strategische Zusammenhänge. Jüngere bringen Energie, neue Technologien, ein frisches Verständnis von Wandel.
Dort, wo beides zusammenkommt – nicht hierarchisch, sondern partnerschaftlich –, entstehen Teams, die stabiler, kreativer und resilienter arbeiten.
Wer Altersdiversität bewusst lebt, profitiert mehrfach: Die Qualität der Arbeit steigt. Der Wissenstransfer funktioniert. Stereotype brechen auf. Und die Arbeitsatmosphäre wird tragfähiger. All das sind keine sozialen Nebeneffekte – es sind wirtschaftliche Erfolgsfaktoren.
Doch damit das gelingt, braucht es mehr als gute Absichten. Es braucht Strukturen: Weiterbildungen, die nicht nur für den Nachwuchs gedacht sind. Arbeitsplätze, die altersgerecht gestaltet sind – flexibel, ergonomisch, realistisch. Und eine Führungskultur, die nicht in Jahresgehältern denkt, sondern in Wertbeiträgen.
Mentoring-Programme, generationenübergreifende Projektarbeit und offene Kommunikation sind bewährte Wege – wenn sie ernst gemeint sind. Denn Altersdiskriminierung ist keine Randerscheinung, sondern Realität. Wer Vielfalt will, muss auch diese Form der Ausgrenzung erkennen – und gezielt abbauen.
Fazit:
Diversität ist kein Selbstzweck. Und Altersvielfalt ist kein symbolischer Bonus. Sie ist Substanz. Und sie ist eine Frage der Haltung.
Erfahrung und Zukunft schließen sich nicht aus – sie bedingen einander. Unternehmen, die diesen Zusammenhang erkennen und gestalten, sind nicht nur fairer. Sie sind nachhaltiger. Und erfolgreicher.









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